Dienstag, 24. Mai 2011

Das Dilemma mit der Sicherheit


Die Bibel kennt das Wort Sicherheit nicht, so Prof. Lisa Schirch-Elias von der Eastern Mennonite University. Es habe seinen tieferen Sinn, dass in der Bibel von Frieden und Gerechtigkeit die Rede sei. Unser Sicherheitsdenken beruht auf der “Phantasie die größeren Feuerkraft”, so Schirch-Elias in ihrem Eingansstatement in der Diskussion zum Tagesthema “Frieden zwischen den Völkern”. Die Bibel aber fordere auf, Beziehungen zu transformieren, aus Distanz Nähe, aus Fremden Bekannte und aus Feinden Freunde zu machen. “So etwas tut man nicht mit überlegener Feuerkraft”. Nur auf dem Weg, den die Bibel aufzeige, könne “safety” für alle Menschen geschaffen werden. Hier ist das Englische dem Deutschen überlegen: wo wir das Wort Sicherheit verwenden, kennt das Englische die Begriffe “security” und “safety”, was eine feine, aber fundamental wichtige Differenzierung ermöglicht.
Dem stimmte Erzbischof Avak Asadourian, Generalsekretär des "Council of Chrisitan Church Leaders" im Irak zu. Im Blick auf die Diskussionen über die “Responsibility to Protect”  habe die Politik noch immer nicht alle kreativen Möglichkeiten ausgelotet, wie man ohne Gewalt Menschen schützen könne. “Wir gehen sehr schnell den militärischen Weg, wenn es um Schutz geht”, so Asadourian. “Wir können aber nicht mit Gewalt schützen, sondern nur, indem wir uns auf die Menschen, auf das Andere einlassen und uns mit ihm auseinander setzen”. In diesem Zusammenhang verwahrte er sich scharf gegen die in Europa und Nordamerika oft verwendete Formulierung, die Christen seien “eine Minderheit im Irak”. “Wir sind Iraker, wie alle anderen auch. Wir sind ein integraler Teil der irakischen  Geschichte, der irakischen Kultur und des irakischen Volkes. Wir setzen uns für Frieden im Irak für alle Iraker ein!” betonte Asadourian. Dies werde auch von vielen Muslimen im Irak so gesehen, die die Christen auffordern, das Land nicht zu verlassen, “weil wir sonst einen Teil unserer Seele verlieren”.
Gerade die Geschichte im Irak zeige, so Schirch-Elias, dass die Kirchen in den USA das Konzept der “Sicherheit” für sich noch nicht durchgearbeitet haben. Viele Kirchenleitungen haben sich in den USA gegen die Intervention im Irak ausgesprochen. “In der Gemeinde aber war die Einstellung eine völlig andere”. Es reiche eben nicht, wenn Kirchenleitungen wohl klingende Dokumente formulieren und in gesetzten Worten sich zu politischen Entscheidungen äußern. Sie müssten auch ihre eigenen Gemeinden überzeugen und mitnehmen. Diese Hausaufgabe habe kaum eine Kirche zum Thema “Sicherheit” gemacht.
Dr. Patricia Lewis vom Monterey Institute of International Studies, stellte die rhetorische Frage: “Was hat das Sicherheitsparadigma mit unserer Psyche, mit unseren Seelen gemacht?” Im 20. Jahrhundert seien 160 Millionen Tote in Folge direkter physischer Gewalt zu beklagen. Und noch immer drehe sich die Rüstungsspirale weiter. 2010 seien die internationalen Rüstungsausgaben so hoch gewesen, wie noch nie seit dem zweiten Weltkrieg. “Für unsere Sicherheit sind wir bereit, Massenmord zu begehen!” Sie forderte die Kirchen auf, nachhaltig von ihren Regierungen die Abrüstung der militärischen Potentiale einzufordern, wobei sie sich nicht auf die Nuklearwaffenarsenale beschränken dürften. Gerade die nahezu unbeschränkte Verfügbarkeit von Kleinwaffen habe diese inzwischen zur größten Gefahr für die Menschen werden lassen.
Hier kritisierte Dr. Christine Agbotom-Johnson, stellvertretende Direktorin des "UN Institute for Disarmamant Research", dass man sich nicht nur auf die technischen Aspekte der Abrüstung , die Instrumente der Gewalt, konzentrieren dürfe. “Das eigentliche Problem ist nicht die Waffe. Das eigentliche Problem ist der Mensch, der sie benutzt”, so Agbotom-Johnson. Die Kirchen hätten eine besondere Aufgabe darin, eben diese Ebene der Abrüstung zu bearbeiten. Erziehung zur Friedensfähigkeit müsse im Kindesalter beginnen, was viele Kirchen auch machen. Sie müsse aber ständig neu begründet und verstärkt warden. “Friedfertigkeit ist kein Zustand, den man erreicht, sondern eine Haltung, um die man ständig ringen muss.”
Auf die Zwischenfrage des Moderators Kjell Magne Bondevik, Leiter des "Olso Center for Peace and Human Rights", ob die Welt “a safer space” - ein sicherer Raum - werde, wenn mehr Frauen in Entscheidungspositionen wären, entgegnete Schirch-Elias, dass nur mit der Tatsache, dass eine Frau eine bestimmte Position inne habe, nichts gewonnen sei. Das habe man mit vielen Frauen in hohen politischen Ämtern erleben müssen. Entscheidend sei, in welche sozialen Beziehungen Frauen in Leitungspositionen eingebunden seien.
In die Podiumsdiskussion wurde eine Videobotschaft von Setsuko Thurlow eingespielt, die nicht hatte nach Jamaika kommen können. Setsuko Thurlow hatte als Jugendliche den Abwurf der Atombombe auf Hiroshima erlebt. Sie schilderte ihr Erleben in so nüchternen Worten, dass einem der Atem stockte. Wie die, die nach dem Abwurf noch laufen konnten, versuchten, den grauenvoll Verstümmelten zu helfen, obwohl es nichts mehr gab, womit man helfen konnte. “Niemand, kein Kind soll noch einmal erleben, was ich erleben musste” apellierte sie an die Delegierten. Setzt Euch fuer die Ächtung von Atomwaffen, von Massenvernichtungswaffen aller Art, für die Beendigung aller Kriege ein”.
Wolfgang Heinrich

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